Wenn man sich als Mensch weiterentwickelt, dann lernt man schnell, dass das, was uns in anderen aufregt, oft nur das Spiegelbild unseres Selbst ist. Wir regen uns eben oft bei anderen über das auf, was uns an uns selbst stört, was wir verdrängt haben oder was wir uns nicht erlauben. Und wenn wir das verstehen, werden wir meistens verständnisvoller und gütiger mit anderen Menschen. Und dadurch übrigens auch oft gütiger mit uns selbst.
Es gibt aber auch die anderen Fälle: Es hat nicht immer ALLES etwas mit uns zu tun. Manchmal sind andere Menschen einfach auch nur gedankenlos, rücksichtslos, sie drücken (bewusst oder unbewusst) auf unsere wunden Punkte. Oder sie überschreiten auf irgendeine andere Art unsere Grenzen auf unschöne Weise.
Der große Unterschied
Die Kunst ist hier, zu unterscheiden:
- Ist es mein Thema, das ich in den anderen reinprojiziere?
- Oder ist der andere Mensch einfach auf irgendeine Art nicht gut für mich?
Das auseinanderzuhalten ist erstaunlich schwer. Selbst für die unter uns, die sich dieser Projektionsgeschichten bewusst sind. Denn das Wissen darum schützt ja nicht 100%ig vor den eigenen blinden Flecken, die tatsächlich jeder von uns hat … und ja, das gilt auch für die Fortgeschrittensten unter uns.
Aber gehen wir mal davon aus, dass uns jemand komisch behandelt und das Ganze in diesem Fall wirklich nichts oder nur wenig mit uns selbst zu tun hat.
Was mache ich dann? Wie gehe ich damit um? Was tue ich, wenn Menschen auf irgendeine Art nicht gut für mich sind und ich mir ziemlich sicher bin, dass es nichts mit mir zu tun hat?
Eine gute Möglichkeit ist hier die große Problem-Weiche: Leave it, love it or change it.
Also entweder gehst du aus der Situation raus, wenn es geht (Leave it). Oder du lernst, die Sache zu lieben oder zumindest zu akzeptieren (Love it). Oder du änderst die Situation, sofern das für dich möglich ist (Change it).
Leave it
Aus der Situation rauszugehen geht natürlich nicht immer. Aber oft ist genau das die beste und einfachste Lösung, auch wenn man hier manchmal den eigenen Stolz ein bisschen drosseln muss.
Einfach der Konfliktsituation ausweichen oder dafür sorgen, dass man in Zukunft keinen Stress mehr mit dem anderen Menschen hat.
Das gilt im Kleinen: Wenn man zum Beispiel jemanden einfach mal lässt, wenn er sich im Supermarkt vordrängelt. Oder im Größeren: Wenn meine Großtante Anni jedes Mal auf mir rumhackt, wenn ich sie besuche, dann gehe ich eben nicht mehr hin. Manche Dinge muss man sich nicht antun, auch wenn dann vielleicht das schlechte Gewissen ein bisschen knackt. Oder wenn mein Kollege Klaus mir meinen Büroalltag mit seiner passiv-aggressiven Haltung vermiest, dann bewerbe ich mich einfach um eine Stelle in einer anderen Abteilung.
So flexibel sein wie eine Weide im Wind. Unangenehme Situationen einfach verlassen oder ihnen ausweichen. Das ist nicht grundsätzlich feige, sondern oft einfach der kluge Ausweg. Man sollte natürlich nicht immer klein beigeben. Aber man muss auch nicht jeden Kampf kämpfen.
Noch eine Randbemerkung zu diesem Thema: Je mehr ich in mich und in meine fachliche und persönliche Weiterbildung investiere, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich mir im Leben. Das heißt, je mehr ich lerne und je mehr Dinge ich kann, desto mehr Freiheiten eröffnen sich mir im Leben.
Wenn du dich in einer Situation wiederfindest, aus der du aus Sachzwängen nicht rauskannst, dann kann das damit zu tun haben, dass du deine Weiterentwicklung vernachlässigt hast und deswegen zu wenig Ausweichmöglichkeiten hast.
Das Gleiche gilt für die Investition in gute Beziehungen zu anderen Menschen. Wer ein gutes Netzwerk an Freunden, Bekannten und Kollegen hat, der hat mehr Möglichkeiten, sein Leben in eine andere Richtung zu lenken.
Oft müssen Menschen aus finanziellen Gründen in einem Job bleiben, weil sie keine beruflichen Alternativen oder kein Netzwerk haben. Wer sich – auch neben dem Job – regelmäßig weiterbildet und seinen Wert als Arbeitnehmer auf kluge Art ständig erweitert und steigert, der investiert deswegen direkt in seine Freiheit. Je mehr interessante und nützliche Dinge ich kann und weiß, desto interessanter werde ich für andere Arbeitgeber und desto einfacher kann ich meinen Job wechseln, wenn mir irgendein Kollege meinen Arbeitsplatz vergiftet.
Persönliches und fachliches Wachstum genau wie gute Beziehungen schaffen also Freiheit. Frag dich also vielleicht mal: Was müsste ich lernen, herausfinden, können oder wissen, um freier und flexibler im Leben zu werden und mehr Wahlmöglichkeiten zu haben? Und wie könnte ich mein Netzwerk in einem guten gebenden und nehmenden Sinne erweitern?
Love it
Kommen wir zur nächsten Möglichkeit, damit umzugehen, wenn mir andere Menschen nicht guttun: Love it. Für viele ist das die schwerste Aufgabe überhaupt: Dinge akzeptieren oder sogar lieben lernen, die man nicht ändern kann.
Wobei akzeptieren nicht zwingend immer „gutheißen“ bedeuten muss. Es bedeutet eher, dass man aufhört zu kämpfen, dass man den Widerstand aufgibt, dass man sich also ergibt. Dass man Frieden mit der Wirklichkeit schließt. Wobei das tatsächlich nicht ganz einfach ist.
Aber es ist so: Viele Probleme oder Konflikte lösen sich in Luft auf, wenn man aufhört zu kämpfen. Nicht immer. Aber erstaunlich oft.
Was vielen beim „Love it“ hilft, ist ein bestimmter Gedanke. Der Gedanke lautet:
„Das ist jetzt einfach Training für mich.“
Oder falls du lieber spiritueller an die Sache herangehen möchtest, dann sag dir einfach: Dieser Mensch ist ein Engel, der mir geschickt wurde, um etwas Bestimmtes zu verstehen oder zu lernen.
Du kannst alles nutzen, um als Mensch dazuzulernen, um deine Persönlichkeit weiterzuentwickeln und um zu wachsen. Auch Menschen, die dir das Leben schwer machen.
Und stell dir vor, du würdest auf dein Feindbild zugehen, ihm oder ihr einen dicken Kuss auf die Wange drücken und dann sagen: „Danke, dass du mir durch deine Art dabei hilfst, als Mensch zu wachsen.“
Konflikte und zwischenmenschliche Schwierigkeiten sind auch immer Training.
Wenn du das so sehen kannst, hörst du automatisch auf, zu sehr zu kämpfen, und du kannst den Schwierigkeiten mit dem anderen Menschen etwas Gutes abgewinnen. Sieh den Konflikt als Chance und als Möglichkeit, etwas zu lernen. Dadurch lässt du automatisch die Opferrolle hinter dir und übernimmst Verantwortung für dich. Und das verschiebt oft das Machtverhältnis in einem Konflikt und lässt das Beziehungsproblem oft wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.
Wie wechselt man die Perspektive und setzt sich die „Das ist Training“-Brille auf? Dazu kannst du dir Fragen wie hier stellen:
- Was genau ist es, was ich in dieser Situation lernen soll? Was wäre der erste Schritt, um das zu lernen?
- Was müsste ich tun, können, begreifen, verstehen, lernen, damit diese Sache hier für mich kein Problem mehr wäre?
- Was kann ich durch diesen Menschen lernen oder trainieren?
- Was ist das Gute an dieser Situation?
- Inwiefern könnte mir das später helfen?
Change it
Die letzte Möglichkeit, mit einem unangenehmen Menschen umzugehen, ist: Change it. Also die Situation zu verändern. Denn es gibt Situationen, die man nicht verlassen kann und die so ans Eingemachte gehen, dass man sie nicht als Training umdeuten kann. In diesem Fall muss man aktiv werden und etwas ändern.
Der erste Schritt sollte hier ein klärendes Gespräch sein. Oft muss man dafür über den eigenen Schatten springen, gerade wenn man das Gefühl hat, dass man nicht angefangen oder wirklich nichts falsch gemacht hat.
Stolz ist hier aber komplett fehl am Platz. Wenn du unter einer Situation leidest, ist es deine Verantwortung und Aufgabe, etwas zum Besseren zu ändern. Mit Stolz bestrafst du nicht den anderen, sondern dich selbst, denn du verlängerst ja auch dein eigenes Leiden.
Was bei so einem Gespräch hilfreich sein kann, sind die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation. Das hilft nicht immer, aber man erhöht dadurch die Chance, dass es wirklich zu einem klärenden Gespräch kommt.
Was dir hier auch helfen kann, ist das folgende Kommunikationsprinzip:
Versuche erst zu verstehen und erst dann, verstanden zu werden.
Das heißt, sprich den Konflikt direkt an und frag den anderen nach seiner Meinung zu der Sache. Und dann hör WIRKLICH zu. Frag klärend nach. Ohne dich zu rechtfertigen. Ohne Gegenargumente zu bringen. Gib deinem Gegenüber wirklich Raum zum Reden. Und erst, wenn du dessen Sicht wirklich vollkommen verstanden hast, schilderst du deinen Blickwinkel auf die Situation. Das hört sich so in der Theorie ganz einfach an, in der Praxis ist das natürlich eine verdammt harte Nummer. Deswegen solltest du diese Art des Zuhörens am besten mit einem Vertrauten in einer Art Rollenspiel üben, bevor du in die reale Situation gehst.
Oft hilft natürlich auch alles Reden nicht. Manchmal versteht man sich einfach nicht. Oder der Graben ist bereits zu tief und die Erde zu verbrannt. Oder der andere will den Konflikt partout nicht auflösen, weil er irgendeine Befriedigung oder einen Gewinn daraus bezieht.
Dann gelten die üblichen Regeln aus den Kampfkünsten:
Handle entschlossen, ohne zu zögern und mit allen Mitteln, die dir zur Verfügung stehen. Droh nicht, sondern handele zielgerichtet und wirksam. Trag den Konflikt so schnell, hart und mit so vielen Mitteln aus wie möglich. Zieh nicht den Kopf ein, sei nicht zögerlich und hoff nicht auf Besserung, ohne dass du etwas tun musst.
Ziel ist jetzt, den Streit unter Einsatz aller Mittel so hart und so schnell wie möglich zu deinen Gunsten zu beenden. Ich rede hier natürlich nicht von körperlicher Gewalt, auch wenn meine Beschreibung martialisch klingt. Ich meine, dass du all deine gewaltlosen Möglichkeiten konzentriert ausschöpfst:
- den Betriebsrat
- offene Briefe oder eine andere öffentliche Eskalation des Konflikts
- Bilden von Bündnissen
- Unterstützung von Kollegen oder Freunden suchen
- sich Verbündete und Beschützer suchen
- und, und, und …
Wenn man alles andere versucht hat, muss man den Rücken gerade machen und kämpfen. Und dann sollte man auch versuchen, den Kampf so schnell wie möglich zu beenden, damit man selbst nicht zu viele Blessuren davonträgt.
Dieses ganze Love it, leave it or change it muss man aber zum Glück nur relativ selten anwenden. Denn meistens hat ein Konflikt mit anderen Menschen ja doch – zumindest zu einem Anteil – mit uns selbst zu tun :-). Aber wenn du dir wirklich sicher bist, dass deine Weste weiß ist, dann nutze vielleicht diesen 3-Satz der Persönlichkeitsentwicklung als Leitlinie für dein Handeln. Ich wende diese Idee ständig an und die 3 Möglichkeiten waren für mich stets ein exzellenter Ratgeber.
Erinnerungsposter herunterladen
Damit auch du immer diese 3 Möglichkeiten im Blick behälst, habe ich sie hier für dich auch nochmal in einem Erinnerungsposter zusammengefasst:
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