Es klingelt das Telefon und Stefan ist dran.
Den habe ich ja schon seit einem halben Jahr nicht mehr gesprochen.
Ein bisschen Geplänkel. Wie geht es den Kindern? Und nach 2 Minuten rückt er mit der Sprache raus:
„Sag mal, ich bräuchte mal Hilfe bei meiner Steuererklärung und du kennst dich doch aus …“
Autsch!
Manche Menschen melden sich echt nur, wenn sie etwas brauchen. Kein Anruf zwischendurch, um einfach nur zu hören, wie es mir geht. Kein Angebot, einen trinken zu gehen. Oder sich auf einen Kaffee zu treffen.
Wenn sich der andere immer nur meldet, wenn er etwas von einem will, dann komme ich mir irgendwie ausgenutzt vor. Da habe ich das Gefühl, der andere ist nicht an mir und meiner Person, sondern nur an meiner Hilfe interessiert. Und das tut ein bisschen weh. So geht es wohl zumindest den meisten.
Ausnutzer sind auch nur Menschen!
Auf der anderen Seite habe ich auch ein bisschen Verständnis für die Leute, die sich immer nur melden, wenn sie etwas wollen.
Denn wenn ich ehrlich bin, bin ich selbst manchmal so jemand.
Denn mein Leben ist ziemlich voll. Meine Familie, meine Arbeit, mein Haus, der Hund und meine Hobbys … all das muss ich in meinem Zeitplan unterbringen und da ist es dann gar kein böser Wille, dass ich mich bei manchen Freunden nur alle paar Monate melde.
Und wenn ich ein Problem habe und ich weiß, dass eine Freundin mir dabei helfen kann, dann nehme ich das als Anlass, zum Telefonhörer zu greifen und die Freundin anzurufen.
Ist man deswegen ein Ausnutzer? Oder ein schlechter Freund, der immer nur nehmen, aber nicht geben will? Oder ist diese Sache einfach nur ein Resultat eines vollen Lebens?
Oder ist es vielleicht ein bisschen von beidem? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Was tun?
Ich weiß nicht, wie es dir geht. Hast du manchmal das Gefühl, dass sich manche Menschen nur melden, wenn sie etwas brauchen? Dann hast du verschiedene Möglichkeiten, wie du reagieren kannst:
- Du kannst gute Miene zum bösen Spiel machen, es einfach so hinnehmen und deine Enttäuschung herunterschlucken. Das kann man machen: Meine Empfehlung wäre es nicht.
- Oder du kannst dich bei demjenigen einfach regelmäßig von dir aus melden, dann habt ihr nicht nur Kontakt, wenn der andere etwas braucht. Also das Leben selbst in die Hand nehmen.
- Oder du sagst höflich Nein zum Hilfegesuch deines Gegenübers und fragst, was es sonst so im Leben desjenigen gibt. Wenn er dann schnell das Gespräch beenden will, dann ist er vielleicht wirklich nicht an dir als Mensch interessiert – oder er hat gerade nicht so viel Zeit zum Quatschen, dann vereinbart doch gleich ein Treffen oder ein weiteres Telefonat.
- Oder du könntest dich von der Idee verabschieden, dass es schlecht ist, dass andere sich immer nur melden, wenn sie etwas brauchen. Genieße doch einfach das Gespräch. Und hilf, wenn es dir Spaß macht, zu helfen. Im großen Geben und Nehmen des Lebens bekommen wir nicht immer aus der gleichen Richtung das zurück, was wir gegeben haben, sondern oft auch von ganz woanders.
- Oder du könntest deine Unzufriedenheit einfach zur Sprache bringen und sagen: „Nicht böse sein, aber ich habe den Eindruck, du meldest dich nur, wenn du etwas von mir willst. Da fühle ich mich ein bisschen ausgenutzt.“
Und was, wenn ich jemand bin, der sich nur meldet, wenn er etwas braucht?
Vielleicht ist es aber auch nützlich, sich hier selbst mal kurz zu hinterfragen.
Meldest du dich auch manchmal nur bei Menschen, wenn du etwas brauchst?
Ich persönlich bin tatsächlich nicht so gut darin, Kontakt zu meinen Freunden zu halten. Meine besten Freunde wissen das, nehmen es nicht persönlich und melden sich deutlich öfter bei mir als ich mich bei ihnen. Und ich freue mich jedes Mal, wenn mich jemand unerwartet anruft.
Aber nicht jeder hat so nachsichtige Freunde. Deswegen macht es Sinn, sich zu fragen:
Wen würde ich als Freund bezeichnen?
Mach dir ruhig eine Liste.
Wann habe ich das letzte Mal mit jedem auf meiner Liste gesprochen?
Wen sollte ich mal wieder anrufen, auch wenn ich nichts Konkretes von demjenigen will oder brauche?
Und dann melde dich regelmäßig reihum bei deinen Freunden. Trage dir das vielleicht sogar als Aufgabe in den Kalender ein. Oder erinnere dich mit deinem Handy. Manche Dinge muss man systematisch und mit ein bisschen Disziplin angehen, wenn sie einem nicht im Blut liegen.
Und übrigens: Wenn du dich mal wieder bei jemandem meldest, weil du etwas willst, dann rede am besten Klartext:
„Hallo, Ben, na, wie geht’s? Pass auf, ich rufe an, weil ich deine Hilfe brauche …“
Denn das ist wesentlich ehrlicher.
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