Aus der Gehirnforschung: Glücklos – trotz perfekten Lebens

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Kennst du auch folgende Situation?

Dein Leben ist im Großen und Ganzen in Ordnung. Du hast vielleicht ein paar Ziele erreicht, die dir wichtig waren. Die Beziehung ist okay oder du bist vielleicht ganz glücklich mit deinem Single-Leben. Du fühlst dich gesund. Deine finanziellen Möglichkeiten passen zu dem, was du brauchst, und auch deine Freundschaften und familiären Beziehungen sind im Großen und Ganzen angenehm und so, wie du es dir wünschst.

Alles bestens.

Dennoch bist du nicht richtig zufrieden. Irgendwas nagt an dir. Du fühlst dich irgendwie ein wenig mäkelig. Bist vielleicht auch gereizt oder schnell genervt. Weißt aber gar nicht so recht wieso.

Vielen Menschen geht es so. Sie haben das Gefühl, dort angekommen zu sein, wo sie hinwollten. Sie haben sozusagen ihre Hängematte gefunden und könnten jetzt eigentlich glücklich und zufrieden darin liegen und das Leben genießen.

Ja, wenn da nicht diese latente Unzufriedenheit wäre. Von der man gar nicht recht weiß, wo sie eigentlich herkommt.

Viele fragen sich in solchen und ähnlichen Situationen: Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich mich an der ein oder anderen Stelle doch vielleicht falsch entschieden? Hätte ich doch den anderen Studiengang wählen sollen? Besser nach einer anderen Partnerin gesucht? Den Kleingarten doch nicht pachten sollen? Wäre es besser gewesen, die Fortbildung zu machen? War es gut, dass ich in die Reha gefahren bin und mich vollkommen fit gemacht habe, bevor ich auf Jobsuche gehe?

Natürlich kann es sein, dass irgendetwas an unserem Leben doch nicht so toll ist, wie wir dachten. Dass wir vielleicht Träume verfolgt haben, die gar nicht wirklich unsere Träume waren. Oder Entscheidungen getroffen haben, die nicht so recht zu uns passten. Einfach, weil wir womöglich nur das gemacht haben, was andere von uns erwartet haben.

Oftmals hat unsere Unzufriedenheit jedoch einen ganz anderen Grund. Und zwar sitzt dieser Grund zwischen unseren Ohren. Nämlich im Gehirn.

Glück ist dynamisch

In unserem Gehirn gibt es nämlich einen Mechanismus, der dazu führt, dass wir Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden erleben. Und dieser Mechanismus ist dynamisch. Das heißt, er ist stets in Bewegung und sollte auch in Bewegung gehalten werden. Stillstand führt nämlich dazu, dass sich das, was in unserem Körper Glücksgefühle, Zufriedenheit, Wohlbefinden auslöst, verflüchtigt.

Das heißt übersetzt: Ganz grundlegend braucht unser Glücksgefühl immer wieder die Herausforderung.

Glück funktioniert eben gerade nicht wie eine Hängematte, in die wir uns, einmal angekommen, hineinlegen können, um dort fröhlich für immer und in Freuden hin und her zu schaukeln. Glück erfordert vielmehr, dass wir immer wieder aus der Hängematte aussteigen und zu neuen Abenteuern aufbrechen.

Doch wie sieht das im Gehirn eigentlich genau aus?

Der körpereigene Drogencocktail

Der Mechanismus, der unser Glück immer wieder neu hervorrufen kann, hängt eng mit unserem Motivations- und Belohnungssystem zusammen.

Das ist eine Region in unserem Gehirn, die auf unser Wohlbefinden und Glück starken Einfluss ausübt. Wenn wir von einer Situation etwas Positives erwarten, entstehen dabei gute Gefühle. Denke z. B. daran, wenn du dich auf einen neuen Kinofilm mit deinem Lieblingsschauspieler freust. Darauf, einen Abend mit Freunden zu verbringen, oder erwartest, dass du dieses Jahr einen Bonus für deine geleistete Arbeit bekommst. In solchen und ähnlichen Situationen rechnest du damit, dass du etwas Schönes erlebst.

Immer wenn das geschieht, werden in einem zentralen Teil des Belohnungssystems unseres Gehirns vermehrt Dopamin, Endorphine und verschiedene körpereigene Opiate produziert. Das sind Stoffe, die für unsere Glücksgefühle verantwortlich sind.

Dopamin macht uns aber nicht nur glücklich, sondern sorgt in unserem Gehirn dafür, dass wir das, was wir erwarten oder uns wünschen, auch wirklich erreichen wollen. Dopamin steigert unser Verlangen und hilft uns z. B. dabei, eine erträumte Urlaubsreise auch wirklich zu buchen, die Kinokarten für den Film mit dem Lieblingsschauspieler zu bestellen oder die Leitung eines Projektes zu übernehmen, weil wir uns davon etwas Positives erhoffen.

Noch glücklicher werden wir, wenn wir die Belohnung, die wir erwartet oder erhofft haben, auch wirklich bekommen. Wenn wir also wirklich im Kino sitzen, in den Urlaub fahren, das Projekt erfolgreich abgeschlossen haben und einen Bonus bekommen. Dann wird der in unserem Gehirn entstehende Cocktail aus glücklichmachenden Stoffen noch intensiver.

Was heißt das übersetzt?

Um glücklich zu sein, müssen wir also zunächst erst einmal etwas Positives erwarten. Wir brauchen ein Verlangen, um dann möglichst diesem Verlangen nach etwas Gutem und Schönem nachzugehen. Wir müssen uns anstrengen, um das Erstrebte auch wirklich zu erreichen. Mal mehr, mal weniger. Und dann fühlen wir uns glücklich und zufrieden.

Wenn man nur im Status quo verharrt, sozusagen in seiner Hängematte liegen bleiben möchte, funktioniert das leider nicht. Denn dort begegnen uns in der Regel keine Herausforderungen, die unsere Glücksgefühle ankurbeln können.

Deswegen: Falls sich dein Leben manchmal nicht so toll anfühlt, obwohl du eigentlich alles hast, was du dir wünschst, dann suchst du dir die ein oder andere Herausforderung. Das können ganz kleine Dinge sein. Wie z. B. mal ganz neue und vielleicht auch schwierige Kochrezepte auszuprobieren. Oder du beginnst, ein neues Hobby zu testen. Lerne doch noch Klavierspielen oder gehe zum Tanzkurs. Oder du erweiterst ganz bewusst deinen Bekanntenkreis und versuchst neue Kontakte zu knüpfen. Es gibt viele Gelegenheiten, sein Leben durch Herausforderungen zu bereichern. Ein wenig Abenteuerlust zu kultivieren und so immer wieder zu mehr Glück zu finden. Viel Freude dabei!

Literatur:

  • Esch, Tobias, 2014: Die Neurobiologie des Glücks. Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert. 2. Aufl., Stuttgart, Georg Thieme Verlag.
  • Streit, Philip/Wohlkönig, Michael, 2014: Die Macht der Positivität. Struktur und Wirkungsweise Positiv-Psychologischer Interventionen, in: Psychologie in Österreich, 33. Jg. Nr. 3/4, S. 128–135.

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