Willst du anderen Menschen gefallen? Oder ist es dir vollkommen egal, was andere von dir denken?
Für die meisten von uns wird es irgendetwas dazwischen sein.
Denn grundsätzlich ist es ja schon nicht ganz unwichtig, was andere Menschen von uns denken. Besonders bei den Menschen, mit denen wir oft zu tun haben, wie unserer Familie, unseren Kollegen oder Nachbarn.
Kein Mensch ist eine Insel
Wir können nur durch Kooperation und Arbeitsteilung existieren. Oder versuch doch mal, deine eigenen Schuhe herzustellen oder deinen eigenen Wein anzubauen. Nebenbei ist das Leben gemeinsam auch einfach netter. Wir Menschen sind von Natur aus keine Einzelgänger, sondern auf das Miteinander und auf Gemeinschaft gepolt.
Vor 10.000 Jahren zum Beispiel hatte man keine Chance, alleine zu überleben. Da war man nur sicher, wenn man Teil eines Stamms war, mit dem man gemeinsam den Schwierigkeiten des Steinzeitlebens trotzen konnte. Da war es extrem wichtig, was die anderen von einem dachten, damit man nicht verstoßen wurde. Denn aus dem Stamm verstoßen zu werden, bedeutete den Tod.
Heute gelten natürlich andere Regeln als vor 10.000 Jahren. Wir Menschen sind unabhängiger voneinander geworden. Wir sterben nicht gleich, wenn uns jemand nicht leiden kann und doof findet. Trotzdem fühlt sich das für manch einen ein bisschen so an. Viele von uns erleben es als extrem bedrohlich und unangenehm, wenn sie das Gefühl haben, dass sie jemand doof findet, nicht mag oder ablehnt.
Und deswegen tun wir normalerweise einiges dafür, damit andere nicht schlecht von uns denken.
- Wir sind freundlich.
- Wir sind hilfsbereit.
- Wir sind höflich und ertragen kleine Unbequemlichkeiten, um anderen einen Gefallen zu tun, oft auch ohne eine direkte Gegenleistung zu verlangen.
- Und wir sind tolerant und schlucken auch mal eine Kröte.
Das ist auch alles grundsätzlich gut so. Denn durch dieses Verhalten funktioniert das Miteinander. Dieses Verhalten ist kein Problem, solange man es nicht übertreibt.
Freundlich sein ist gut, aber …
Problematisch wird das Ganze erst, wenn es zwanghaft wird, anderen gefallen zu wollen.
Wenn zum Beispiel jemand meine Werte mit Füßen tritt und ich die Klappe halte, nur damit der andere nicht schlecht von mir denkt.
Oder wenn ich mich nicht traue, mich zu zeigen, wie ich bin, aus Angst, abgelehnt zu werden.
Oder wenn ich meine Bedürfnisse immer hintenanstelle,
- damit mich niemand für egoistisch hält,
- nur damit ich gut dastehe,
- damit niemand schlecht über mich denkt,
- damit ich kein Missfallen errege oder
- damit ich nicht streiten muss.
Ein bisschen darauf zu achten, was andere von mir denken, das ist gut. Aber wenn ich zu sehr versuche, anderen zu gefallen – oder nicht zu missfallen –, dann hat das eine ganze Reihe von unangenehmen Konsequenzen:
- Ich werde dann abhängig und unfrei, das heißt, ich nehme dann nicht mehr meine eigenen Werte und Bedürfnisse als Richtschnur meines Handelns. Anstelle dessen tue ich nur noch Dinge, weil ich glaube, dass andere sie von mir erwarten.
- Ich sage dann „Ja“, wenn ich eigentlich „Nein“ sagen sollte. Das heißt, ich missachte mich selbst und meine Wünsche. Dann bestimmen andere über mein Leben.
- Ich sende mir selbst und der Welt wieder und wieder die Botschaft, dass andere Menschen mehr wert sind und mehr zählen, als ich selbst.
Wir versuchen oft, unsere Welt dadurch zu kontrollieren, indem wir anderen gefallen wollen. Aber in Wirklichkeit ist es umgekehrt. Wir werden von unseren Umständen und der Welt da draußen kontrolliert und gesteuert, wenn wir zu sehr versuchen, es den anderen recht zu machen. Wir machen uns damit selbst zum Sklaven unserer Angst vor Kritik, Missfallen und vor Konflikten.
Ein seltsames Paradox
Im Grunde wünschen wir uns doch alle (offen oder unbewusst) Liebe, Bewunderung und Respekt anderer Menschen. Wir wollen, dass andere zu uns sagen:
- du bist o. k., wie du bist,
- du bist ein liebenswerter und toller Mensch,
- du hast es drauf,
- du bist eine gute Mutter oder ein guter Vater.
Und hier beobachte ich häufig ein erstaunliches Paradox, das vielen Menschen so gar nicht bewusst ist.
Wer sind denn eigentlich die Menschen, die wir am meisten bewundern? Wer sind die Menschen, die den größten Respekt von allen bekommen?
Das sind doch eher die Menschen, die ihr eigenes Ding machen. Das sind die Menschen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und klar sagen, was Sache ist. Das sind die Menschen, die für das einstehen, was ihnen wichtig ist, auch auf das Risiko hin, dass andere sie mal doof finden.
Die Menschen, die dagegen immer allen gefallen wollen, die übersieht man oft. Oder man hält sie für Ja-Sager oder Schleimer. Oft sind es auch die Menschen, die am ehesten ausgenutzt werden oder die man als Erstes übergeht.
Das ist für mich das Paradox: Jemand versucht, es allen recht zu machen, um Respekt und Liebe zu bekommen. Und er erreicht damit eher das Gegenteil. Er wird respektlos behandelt.
Und jemand, der sein eigenes Ding macht und dem es nicht ganz so wichtig ist, was andere denken, der bekommt oft die Anerkennung, die Liebe und den Respekt seiner Umgebung.
Das ist ja irgendwie auch so ein Lebensprinzip: Wenn du etwas zu sehr willst, dann gleitet es dir aus den Händen. Und wenn du etwas, was du willst, auch loslassen kannst, kommt es von alleine zu dir.
Wenn du dir also Respekt und Liebe wünscht, dann hör vielleicht besser auf, direkt danach zu streben. Denn Qualitäten wie Respekt und Liebe bekommt man eher über Umwege. Man bekommt Respekt und Liebe aber nicht dadurch, dass man anderen zu sehr gefallen will.
Es geht gar nicht, es allen recht zu machen
Dazu kommt noch etwas anderes: Ich kann mich noch so anstrengen, es wird immer jemanden geben, der mich doof findet. Vielleicht weil ich so rede, wie sein Vater, der ihn immer geschlagen hat. Oder weil ich ihn an den Typen aus seiner Klasse erinnere, der ihn immer gehänselt hat. Oder weil ich etwas tue, was derjenige sich nicht zu tun erlaubt, und deswegen bin ich dann ein rotes Tuch für denjenigen.
Jeder von uns hat ein sogenanntes psychologisches Gegenüber, also jemanden, der in seinen Charakterzügen gegensätzlich zu ihm ist. Und an diesem Menschen werde ich mich immer reiben, einfach dadurch, dass ich bin, wie ich bin, und er ist, wie er ist.
Wir Menschen sind auch immer eine Projektionsfläche für andere Menschen, d. h., andere Menschen sehen in uns Dinge, die gar nichts mit uns zu tun haben. Und das können wir gar nicht steuern.
Worauf ich hinauswill: Egal wie sehr du dich anstrengst, es wird immer Menschen geben, denen du nicht gefällst und die dich nicht mögen. Dagegen kannst du nichts machen. Da kannst du noch so gefällig sein und alle deine Ecken und Kanten abschleifen.
Irgendjemand wird dich immer doof finden.
Deswegen wird der Versuch, allen anderen zu gefallen, immer scheitern.
Der Versuch ist nicht realistisch, sondern unsinnig.
Was kann man tun?
Wenn du auch manchmal das Gefühl hast, dass du dir selbst im Weg stehst, weil du zu sehr gefallen willst, dann versuch doch mal Folgendes:
1. Fang an, genauer hinzuschauen. Richte deinen Fokus einmal auf Situationen, in denen du dich anders verhältst, als du es eigentlich willst, weil du anderen gefallen oder nicht missfallen willst. Beobachte dich dabei, aber ohne dich selbst dabei zu verurteilen oder zu bewerten. Schau neugierig und verständnisvoll auf dich selbst und versuch zu verstehen, wie du tickst.
Vielleicht führst du sogar ein Tagebuch und notierst Zeiten und Situationen, in denen du anderen zu sehr gefallen willst. Oft ändern sich ungünstige Verhaltensweisen schon dadurch, dass man sich wertfrei und neugierig beobachtet.
2. Wenn wir anderen zu sehr gefallen wollen, dann hängt das oft mit Unklarheit zusammen. Mit Unklarheit darüber,
- was dir wichtig ist,
- was deine Bedürfnisse sind
- und wohin du im Leben willst.
Wenn man nicht weiß, wohin man will, dann richtet man sich oft automatisch danach aus, was andere wollen. Um das zu ändern, könntest du dich damit beschäftigen, was du gerne willst. Und wenn du das weißt und klar vor Augen hast, dann kannst du öfter dein eigenes Ding machen.
3. Mach dir klar, dass die Welt nicht untergeht, wenn dich jemand nicht mag oder nicht leiden kann.
Viele Menschen leben wunderbar damit, wenn andere sie nicht leiden können. Und das sind nicht alles fiese, stumpfe und böse Menschen. Das sind oft einfach Menschen, die gelernt haben, dass sie es nicht allen recht machen können, und die deswegen eine gesunde Gelassenheit entwickelt haben.
Jemand findet dich vielleicht doof?
Dann lerne, damit zu leben.
Lerne, diese negativen Gefühle auszuhalten. Und beobachte, was es für reale, messbare Konsequenzen in deinem Leben hat, wenn dich jemand nicht mag. Und du wirst erstaunt sein, wie wenig tatsächliche Konsequenzen es oft gibt.
Es ist ein unsinniges, undankbares, schmerzhaftes und vor allem unerreichbares Ziel, allen Menschen gefallen zu wollen. Wer das begriffen hat, lebt einfacher und entspannter.
Das könnte dich auch interessieren:
-
Deine Bedürfnisse zählen. Auch du hast Gutes im Leben verdient und darfst für dich sorgen.…
-
Wer keine persönlichen Grenzen setzen kann, ist anderen Menschen schutzlos ausgeliefert. Folgende Ideen helfen dir,…