Gehören Sie auch zu den Menschen, die gerne die eine oder andere ihrer Gewohnheiten ändern würden? Sei es, das Rauchen aufzugeben, endlich pünktlicher zu werden oder die elende Aufschieberitis zu überwinden? Wenn ja, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft, denn diesen Wunsch haben sehr viele. Und wenn Sie vielleicht schon verschiedene Anläufe unternommen haben, ohne dass Sie Ihre Gewohnheiten dauerhaft ändern konnten, dann sind Sie auch damit nicht allein.
Mit diesem Artikel möchten wir Ihnen einige Denkanstöße der etwas anderen Art zum Thema “Gewohnheiten ändern” anbieten.
Jeder Mensch hat so genannte “schlechte Angewohnheiten”. Gemeint sind damit Verhaltensweisen, die es uns selbst oder anderen in irgendeiner Weise schwer machen, wie z.B.:
- Unzuverlässigkeit,
- Faulheit,
- Ängstlichkeit,
- Gedankenlosigkeit,
- Schlampigkeit
- und dergleichen mehr.
Allein die Bezeichnung “schlechte Angewohnheiten” macht deutlich, dass wir hier Bewertungsmaßstäbe anlegen. Wir verurteilen uns für das, was wir da tun und wir bekämpfen unsere schlechten Angewohnheiten – und damit bekämpfen wir auch uns selbst. Dass das leider nur selten von Erfolg gekrönt ist, ist eigentlich nicht verwunderlich…
Warum sich solche Angewohnheiten so schwer ändern lassen
In Büchern zum Thema “Selbstmanagement” hört sich das alles oft so einfach an: Wir können unsere Angewohnheiten mit etwas Disziplin und einem guten Plan ändern. Wir brauchen also nur einen Schritt-für-Schritt-Plan und den nötigen Willen, um uns der lästigen Verhaltensweisen zu entledigen.
Soweit die Theorie. In der Praxis scheitern allerdings die meisten von uns, wenn sie versuchen, alte Angewohnheiten zu ändern. So ein Plan funktioniert vielleicht einige Tage, aber dann fallen wir zurück in die bekannten Muster. Nicht wenige schieben das dann auf die eigene Schwäche. Und so kommt zu den Selbstvorwürfen bezüglich unserer schlechten Angewohnheiten auch noch das Gefühl, versagt zu haben…
Dabei liegt die Ursache für unser Scheitern viel weniger in Willensschwäche oder einem schlechten Plan, als vielmehr darin, dass wir etwas Wesentliches übersehen: Nämlich, dass wir von unseren schlechten Angewohnheiten profitieren und deshalb unbewusst gar kein Interesse haben, sie zu ändern.
Vom Nutzen schlechter Angewohnheiten
Der Gedanke, dass wir von unseren schlechten Angewohnheiten auch profitieren sollen, ist für viele Menschen neu. Schließlich leiden wir darunter und wollen sie ja deshalb weghaben – wie sollen sie uns da nutzen?
Tatsächlich aber haben wir immer einen Grund für unser Verhalten.
Beispiele
- Beim Rauchen dürften die meisten Menschen (vor allem Raucher) diesen Gedankengang noch relativ leicht nachvollziehen können: Ein Vorteil (von vielen anderen), den uns das Rauchen ermöglicht, kann z.B. der sein, dass wir uns jederzeit eine kleine Pause gönnen können. Gerade in Stressphasen, in denen wir das Gefühl haben, keine Zeit für Pausen zu haben, wirkt die kleine Zigarette zwischendurch wie eine Entspannungsinsel und sorgt für eine Auszeit.
- Auch wer ständig zu spät kommt, hat dadurch Vorteile: So ist dem Zuspätkommenden z.B. die Aufmerksamkeit der anderen sicher (auch negative Reaktionen wie Vorwürfe o.ä. sind Aufmerksamkeit!).
- Und wer immer wieder Fastfood isst, obwohl er sich eigentlich gesund ernähren will, hat dadurch z.B. den Nutzen, dass durch das fette Essen Gelüste befriedigt werden.
- Usw.
Sie können hier den Nutzen variieren – für jeden Menschen ist ein anderer Vorteil denkbar.
Grundprinzip: Erst verstehen, dann verändern
Die eben skizzierten Beispiele zeigen, wie gesagt, nur einige der vielen, vielen Vorteile, die uns schlechte Angewohnheiten bringen können. Es empfiehlt sich, einmal ganz systematisch für sich selbst herauszufinden, was uns unsere jeweiligen Angewohnheiten an Nutzen bringen und zwar aus folgenden Gründen:
Selbsterkenntnis
Wir verwenden oft viel Bereitschaft auf, die Beweggründe anderer Menschen zu verstehen, aber bei uns selbst machen wir uns nur selten diese Mühe. Wenn Sie aber erst einmal erkennen, warum Sie etwas tun, werden Sie liebevoller mit sich selbst umgehen können und brauchen sich nicht länger selbst fertig zu machen.
Die Energie, die Sie bisher darauf verwendet haben, sich aufgrund Ihrer schlechten Angewohnheit selbst zu schelten, können Sie dann dafür nutzen, einen konstruktiveren und erfolgversprechenderen Weg einzuschlagen.
Neue Wege
Wenn Sie erst einmal wissen, was Sie von einer schlechten Angewohnheit haben, öffnet sich ein ganz neuer Weg: Sie können sich nun fragen, wie Sie diesen Nutzen auch auf anderem Weg bekommen können – auf eine Weise, die vielleicht deutlich weniger Nachteile hat, als Ihre schlechte Angewohnheit. So wird es Ihnen viel leichter fallen, die schlechte Angewohnheit Schritt für Schritt loszulassen.
Sie tun eine Sache ja nicht um der Sache wegen, sondern um den Vorteil zu bekommen. Wenn Sie sich den Vorteil auf anderem Wege verschaffen, wird die Angewohnheit mehr und mehr zur Hülse, die im besten Fall irgendwann einfach überflüssig wird.
Wenn Sie z.B. erkennen, dass Ihre Angewohnheit, übermäßig viele Süßigkeiten zu essen, sehr viel damit zu tun hat, dass Sie sich selbst etwas Gutes tun wollen, dann können Sie sich einmal gezielt überlegen, auf welche Art Sie sich auf eine gesündere Weise etwas Gutes tun können. D.h. nicht, dass Sie völlig aufhören müssen, Süßigkeiten zu essen – aber Sie können mit etwas mehr Bewusstsein über die Zusammenhänge auch andere Dinge finden, die Ihnen gut tun – und so den Süßigkeitenkonsum reduzieren.
Arbeiten Sie mit sich, nicht gegen sich
Viele Ansätze, persönliche Veränderungen anzugehen, scheitern, weil wir viel zu hart mit uns selbst umgehen. Wir behandeln uns oft sehr brutal, kritisieren uns und reden uns ein, “unfähig”, “schwach” und “ungenügend” zu sein. Gerade was unsere schlechten Angewohnheiten angeht, so sind wir noch ungeduldiger und kritischer mit uns als sonst und nicht selten kommt dieser Veränderungsversuch dann einem persönlichen Kleinkrieg gleich.
Kein Wunder, dass wir da auf stur stellen und jede Mitarbeit verweigern!
Wenn Sie aber wie eben beschrieben vorgehen, arbeiten Sie mit sich und nicht gegen sich. Probieren Sie es doch einmal aus. Im Folgenden haben wir dazu für Sie 3 konkrete Schritte erarbeitet.
Hier finden Sie drei konkrete Schritte, mit denen Sie sich einmal auf eine andere Weise mit Ihren “schlechten Angewohnheiten” beschäftigen können:
Schritt 1: Würdigen Sie Ihre schlechten Angewohnheiten
Zunächst ist es wichtig, nicht länger gegen sich selbst zu kämpfen. Wenn Sie sich dafür verurteilen, eine schlechte Angewohnheit zu haben, denken Sie negativ von sich und behandeln sich schlecht. Das ist weder angenehm noch motivierend.
Viel nützlicher ist es, schlechte Angewohnheiten stattdessen ab sofort als eine Chance zu sehen, etwas über sich selbst zu erfahren und etwas für sich zu verbessern. Würdigen Sie und verzeihen Sie sich also Ihre schlechten Angewohnheiten, so schwer es Ihnen vielleicht auch fällt – sie bieten Ihnen Entwicklungsmöglichkeiten.
Kleiner Tipp dazu: Schauen Sie vor allem auf das Entwicklungspotential, also darauf, wie es sein wird, wenn Sie sich von einer schlechten Angewohnheit lösen können. So entsteht Lust an Veränderung.
Schritt 2: Verstehen Sie Ihre schlechten Angewohnheiten
Mit Schritt 1 wird es Ihnen möglich, sich konstruktiv mit Ihren schlechten Angewohnheiten zu befassen, anstatt sie nur blind zu bekämpfen. Die folgende Vorgehensweise hat sich bewährt, um herauszufinden, warum wir etwas tun:
Tipp
Leider glauben die meisten Menschen von sich, sehr viele schlechte Angewohnheiten zu haben. Eine solche Liste wirkt frustrierend. Entscheidend ist zu erkennen, welche unserer Angewohnheiten uns wirklich behindern, um dann mit diesen zu arbeiten. Die anderen können Sie selbstbewusst als “Schrullen” abbuchen.
Schreiben Sie zunächst alle Angewohnheiten auf, die Sie an sich nicht mögen – die Sie also als Ihre “schlechten Angewohnheiten” bei sich bezeichnen würden. Bitte seien Sie hier nicht übermäßig kritisch. Notieren Sie nur das, was Ihnen spontan in den Kopf kommt und grübeln Sie nicht stundenlang nach. Überlegen Sie sich nun, welche von diesen Angewohnheiten Sie als besonders hinderlich im Alltag empfinden. Wählen Sie bitte höchstens drei der Angewohnheiten aus und entscheiden Sie sich dann für diejenige, unter der Sie am meisten leiden. Und mit der beginnen Sie, zu arbeiten. Nehmen Sie sich diese Angewohnheit nun vor und analysieren Sie sie mit den folgenden Denkfragen:
- Kurze Beschreibung meiner Angewohnheit:
- Wie oft ich das tue:
- Welche Nachteile mir durch dieses Verhalten entstehen:
- Wann ich das zum ersten Mal gemacht habe: (Nicht immer werden Sie das rekonstruieren können, aber versuchen Sie bitte, sich daran zu erinnern. Das kann Sie direkt an die Wurzeln dieser Angewohnheit führen und Ihnen einige wichtige Erkenntnisse vermitteln)
- Gründe dafür, dass ich damit begonnen habe: (Forschen Sie hier bitte, auch wenn es vielleicht etwas unangenehm ist, möglichst intensiv nach den ursächlichen Gründen. Wenn Sie verstehen, was Sie ursprünglich zu diesem Verhalten veranlasst hat, fällt es Ihnen deutlich leichter, den heutigen Nutzen dieser Angewohnheit zu erkennen)
- Was mir diese Angewohnheit ermöglicht, nutzt oder was sie mir an Vorteilen bringt: (Hier bitte nicht gleich aufgeben, sondern wirklich ein bisschen überlegen – Sie haben in jedem Fall mindestens einen Vorteil von dieser Angewohnheit, denn sonst würden Sie das nicht tun! Es muss sich dabei aber nicht immer um deutlich erkennbare, also direkte Vorteile handeln, denken Sie also auch um die Ecke.)
Schritt 3: Hebeln Sie Ihre schlechten Angewohnheiten aus
Wenn Sie erkannt haben, welchen Vorteil (oder auch mehrere) Sie von einer schlechten Angewohnheit haben, halten Sie den Schlüssel in der Hand, um diese Angewohnheit auszuhebeln.
Nehmen Sie nun ein großes Blatt Papier und sammeln Sie Ideen dafür, wie Sie diesen Vorteil auf eine andere Weise als durch Ihr Verhalten erreichen können.
Beispiel
Sie haben als schlechte Angewohnheit “Nägel kauen” aufgeschrieben. Da Sie sich Ihre Nägel oft blutig beißen, haben Sie genügend Motivation, das zu ändern. Sie finden durch die Analyse heraus, dass Sie vor allem dann an Ihren Nägeln kauen, wenn Sie sich von anderen Menschen unter Druck gesetzt fühlen. Diesen Zusammenhang hatten Sie bisher noch nicht gesehen, sondern dachten, Sie machen das grundsätzlich in stressigen Situationen. Sie erkennen, dass Ihr Nägelkauen Ihnen ermöglicht, aus der Situation zu fliehen: Indem Sie sich selbst Schmerzen zufügen, müssen Sie sich nicht mehr mit Ihrer Ohnmacht befassen, die Sie erleben, wenn Sie von anderen unter Druck gesetzt werden. Sie erkennen, dass Ihr Nägelkauen eine Art Signallampe für Situationen ist, in denen Sie mit sich Dinge geschehen lassen, die Sie eigentlich nicht wollen. Auf diese Weise wird es Ihnen möglich, sensibler für sich selbst zu werden und immer öfter für sich einzustehen. Statt sich blutig zu beißen, wird es Ihnen vielleicht zunächst möglich, den Raum zu verlassen, wenn Ihnen jemand zu sehr zusetzt. Beim nächsten Mal trauen Sie sich dann vielleicht schon, ein offenes Wort zu sprechen.
Natürlich ist dieses Beispiel vereinfacht dargestellt. Es macht aber anschaulich, wie unsere schlechten Angewohnheiten gleichsam zu Verbündeten werden können, die uns dabei helfen, uns auf eine Weise zu verändern, die uns gut tut. Also nicht einfach etwas “weghaben” zu wollen, sondern sich so zu entwickeln, dass wir die schlechte Angewohnheit einfach nicht mehr nötig haben.
Und noch ein Tipp zum Schluss
Ganz wichtig ist bei diesem Thema eines zu beachten: Gehen Sie nicht verbissen vor, sondern seien Sie liebevoll und nachsichtig mit sich. Kein Mensch ist perfekt und frei von schlechten Angewohnheiten. Unsere kleinen und großen Schwächen machen uns menschlich und oft auch liebenswert. Wir sollten uns grundsätzlich von dem Anspruch verabschieden, an uns zu arbeiten, um fehlerfrei zu werden.
Machen Sie sich immer wieder klar, dass wir gute Gründe für das haben, was wir tun, auch wenn sie uns nicht immer bewusst sind. Unsere so genannten schlechten Angewohnheiten sind nichts weiter als Leuchtbojen, die uns zeigen, wo wir noch Entwicklungspotential haben – und zwar dahingehend, etwas für uns zu verbessern.
Literatur zum Thema
- Gabriele Stöger und Mona Vogl: Gewonnen wird im Kopf, gestolpert auch
- Ingrid Hack: Davon will ich mich befreien
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